Gurtenfestival 2018: The Lauch Chronicles

Festivalkritik: Gurtenfestival 2018
Bildquelle: 
Bäckstage / © Seraina Thuma

Der Berg rief. In Bern herrscht meist vor und während des Gurtenfestivals schon ein gewisser Ausnahmezustand. So überraschte es nicht, bereits im Vorfeld Menschen mit Gurtenbändeli in der Stadt herumposieren zu sehen. Ein Zeichen für die fast schon neurotische Beziehung zwischen dem Festival und seinen Besuchern. «ig zahle doch nid X franke für sone musig» und so weiter tönte es Wochen zuvor aus fast jedem zweiten Maul. Kaum aber bricht die Woche vom Gurtenfestival an, zeigen sich alle Bärner von ihrer gemütlichen und vorfreudigen Seite. Weil – Programm hin oder her – auf dem Güschä will man - nein, muss man - dann eben doch. Ein Zeichen dafür sind die vielen, sich wiederholenden, verzweifelten Facebook-Posts auf der Suche nach einem Festivalspass. Wer sich ein Ticket sichern konnte, hat folgendes erlebt:

 

Fotos: © Seraina Thuma

 

Der Start stand unter schlechten Sternen. Fussball-WM-Zweiter Kroatien putzte just vor Gorillaz-Gig England aus dem Turnier. Entsprechend nach Trost suchend zeigte sich Gorillaz-Frontman Damon Albarn (ebenfalls Frontmann von Blur). Doch Fehlanzeige. Ausser der ersten Reihen, die sich komplett der Band hingaben, zeigte sich das Publikum an anderem interessiert: «Heeeey! Scho lang nüm gseh!», «Wiä viu täg bisch dä?», «Ha hüt no id Aare müässä vorem güschä.» usw. Da hätte das Festival auch Beyoncé herself aufbieten können, die Leute hätten sich auch in dem Fall nur für sich selbst interessiert. Umso einfacher hatten es Bands wie «Prophets of Rage» oder «Kraftklub» an den folgenden Abenden, an denen es endlich so richtig abging. So zeigte sich das Partybarometer auf Hochststand am Donnerstag- und Freitagabend. Mø lieferte am Samstagabend den letzten Höhepunkt. Mit seiner abschliessenden Show auf der Hauptbühne vermochte es Cro nicht mehr gross die Stimmung zu toppen wie es beispielsweise Marteria im letztes Jahr gelang. Vielleicht wär’s aber auch eine gute Idee gewesen, jemanden als Abschluss-Act zu organisieren, der die Publikumsnähe nicht scheut. Cro klammerte sich immer verzweifelt an seine Maske, sobald Fanschweiss zu riechen war. 

 

Trend Nr 1: Der Lauch

 

Darf man mit dem Handy filmen? Soll man mit dem Handy filmen? Diesen existenzialistischen Festivalfragen wurden von einer neuen Frage ersetzt: Wo ist dein Lauch? Was für Lauchzeichen möchtest du abgeben? Die ironische Lauch-Antwort auf das Handyfilmen war DER Trend schlechthin. Zu Festivalschluss wurden bereits 5 verschiedene Individuen mit Lauch-Accessoire gesichtet. Und das Beste? Das Ganze ist biologisch abbaubar und zahlt sich preislich aus. Wir haben uns sehr über den Live-Ticker von 20Min gefreut, der sich ebenfalls wie wir, dem Lauch Thema widmete.

 

Bild 1: Der Lauch im Publikum. / Bild 2: Erste Anzeichen für das Gurtenfestival auf den Strassen von Bern. (Mit Maus über Bild fahren. © Tanja Lipak)

 

Thema war ebenfalls die Neugestaltung des Festivlas. Ziel war es die Besucher besser auf dem Gelände zu verteilen. Dazu wurde die Zeltbühne (mit neuem Namen «Marquee») ans Ende der Welt platziert. Vorteile hatten die meisten Besucher dadurch keine. Das Nadelöhr vor dem Crêpes-Stand blieb trotzdem ab 20 Uhr bestehen. Auch schade: Aus dem VIP-Bereich lässt sich die Waldbühne nicht mehr bestaunen, dafür aber der fette Elektrosound eines zusätzlichen Club Zeltes. Ob dies wirklich die bestmögliche Geländeeinrichtung ist, wird sich in den kommenden Jahren zeigen. Gewiss ist: Wer zur Zeltbühne wandert, muss dort einen echten Knaller wiederfinden, sonst in die Strecke einfach zu weit. Der Weg hat sich aber gelohnt bei: Plan B, Leoniden (spielen November im Rössli) und Confidence Man.

 

Trend Nr 2: Weihnachtsbaum-Outfit

 

Festivaloutfits sind immer so eine Sache. Es sollte nicht grad das 0815-Sommeroutfit sein, aber auch nicht das Fasnachtsoutfit. Was liegt dazwischen? Weihnachten! Vielleicht war dies der Grund, weshalb einige Besucher sich mit Leuchtkugeln, Weihnachtsbaum oder Leuchtkopfbedeckung zeigten. Etablieren wird sich dieser Trend unserer Meinung nach nicht. Wir setzen voll und ganz auf den 90ies-Trend der sich sowohl auf der Bühne (Ayu, Prophets of Rage, Leoniden und Mø) als auch im Publikum überall abzeichnete.

 

Coming soon: Wir konnten am Gurtenfestival Interviews mit Newcomerin Ayu und den beiden Blues-Meistern von The Two führen. 

 

Neues Outfit, alte Philosophie: Auch mit neuem Geländeplan, bleibt der Güsche was er ist und bleiben soll: ein Partyberg mit Hang zu Deutscher Musik, Regionalpatriotismus (Eldorado FM, Gastaufritt Lo&Leduc) und Ironie (Lauch!!). Wir freuen uns aufs nächste Jahr, Prost!  P.S.: Liebe Gurtengänger, kauft euch die Tickets vorzeitig! Wir Berner landen schlussendlich eh immer auf dem Berg.

 

Tanja Lipak / Mo, 16. Jul 2018